26.07.2022 Osthessen-Wetter Aktuell | Analyse der gestrigen Schwergewitter

Gestern war mal wieder ein Paradebeispiel dafür, dass es nicht die „High-End“-Gewitterlagen braucht, um örtlich für enorme Schäden zu sorgen sondern das auch ein günstiges Setup der zweiten Klasse da absolut mithalten kann.

Was war die Ausgangslage?
Nach zuletzt hochdruckdominiertem Wetter rückte von Westen Tief DANIELA heran, die die heiße Luftmasse mit jedoch nur mäßiger Schwüle ausräumen und durch kühlere Luft maritimen Ursprungs ersetzen sollte. Vorgelagert der eigentlichen Kaltfront, welche die zwei unterschiedlichen Luftmassen voneinander trennte, zog eine (bzw tendenziell eher zwei) gut ausgeprägte Konvergenzlinien durch, also Zonen, in denen die Winde zusammenströmen und Luftpakete zum Aufsteigen zwingen.

Die Luftmasse selbst war gar nicht so von schlechten Eltern: Bei Spitzenwerten zwischen 33 und 34°C konnten am Nachmittag Labilitäts- respektive Energiewerte von 800 bis 1400 J/kg gemessen werden, was schon mehr als ordentlich ist. Zusätzlich zur energiereichen Luft taten aber auch die Windverhältnisse in der Atmosphäre ihr Übriges. Schon bodennah frischte der Wind im Tagesverlauf deutlich auf, ebenso in größeren Höhen über unseren Köpfen, wobei es neben Geschwindigkeits- auch zu guter Richtungsscherung kam (Scherung: Änderung des Windes). Was einerseits problematisch für manche Lagen war, damit überhaupt was passiert, war diesmal das „Öl im Feuer“, denn die Luftmasse bodennah war ziemlich trocken. Dennoch konnten sich am Nachmittag und Abend einzelne (schwere) Gewitter bilden, wobei die trockene bodennahe Schicht (sogenannte Grundschicht) dazu führte, dass die herab“fallenden“ Luftpakete im Gewitter samt Niederschlag noch deutlich beschleunigt wurden (Verdunstungsabkühlung) und damit die Spitzenböen noch nach oben schraubten. Gleichzeitig war die Trockenluft auch ein fördernder Faktor für teils Taubenei-großen Hagel.

Zum Ablauf:
Die erste unwetterträchtige Gewitterzelle des Tages bildete sich gegen 15:05 Uhr westlich von Alsfeld und zog von dort aus kommend unter stetiger Verstärkung in Richtung Neuenstein, was sie gegen 15:40 von Südwesten her erreichte und dort Bäume umstürzen ließ, auch Meldungen von Hagel trafen auf dem Weg bis dahin ein. Zwischen 15:55 Uhr und 16:00 Uhr erreichte die Zelle dann Rotenburg an der Fulda sowie Bebra, wo es zu teilabgedeckten Gebäudedächern, Bruchschäden an Bäumen und umgestürzten Bäumen kam, die durch mehrere Gewitterfallböen (Downburst) ausgelöst wurden. Mit gleichbleibend hoher Intensität erreichte sie gegen 16:15 Uhr die Gegend um Ringgau, bevor sie nach Thüringen abzog, sich dort dann auch noch eine gute Weile hielt.
Eine zweite aber schwächere Zelle zog zur selben Zeit von Nidda kommend über Großenlüder (stärkerer Hagelschlag), Dietershan, Nüsttal, Günthers nach Thüringen Dermbach. In Thüringen verstärkte sich die Zelle und durch die Sturmböen brachen dort große Eichenäste auf die B 285. Mit kleinkörnigem Hagel zog die Zelle noch bis in den Raum Barchfeld 16:45 Uhr. Daneben gab es noch ein paar Schauer, die waren aber nicht der Rede wert.

Den zweiten (und absoluten) Höhepunkt erreichte die Lage am Abend: Noch immer war die Luftmasse nicht aufgebraucht, Scherungs- und Energiewerte gleichmäßig hoch, und so entwickelte sich noch immer vor der eigentlichen Kaltfront gegen 18:15 Uhr erneut im Raum Nidda eine weitere Gewitterzelle, die unter Verstärkung zunächst nach Schlitz zog. Hier sorgte sie gegen 19:10 Uhr für heftigen Starkregen, auch die Station in unserem Messnetz konnte binnen kürzester Zeit über 20 l/qm registrieren. Erneut war auch diese von Hagel und (schweren) Sturmböen begleitet, was neuerliche Feuerwehreinsätze zur Folge hatte. Gegen 19:20 Uhr erreichte sie, dann mutmaßlich schon als Superzelle, den Altkreis Hünfeld, und vollzog hier eine für unsere Region ziemlich seltene Transformation:
Aus einer Schwergewitterzelle wurden mittels Cellsplit (Zell-Teilung) zwei voneinander unabhängige Schwergewitterzellen (erneut Superzellen!), die dann als sogenannter Leftmover (nördliche Zelle, nach linksausscherend) und Rightmover (südliche bzw. dann östliche Zelle, nach rechts ausscherend) weiterzogen. Kurz davor entstand auch das gezeigte Webcambild der Wetterstation Arzell, wo beide Zellen genau vorbeizogen.

Die südliche Zelle, der sogenannte Rightmover, zog dann über Burghaun und Hünfeld hinweg in Richtung Rasdorf/Setzelbach, wo es erneut zu teils Taubenei-großem Hagelschlag sowie Gewitterfallböen kam mit entsprechenden Schäden.
Die nördliche Zelle, der sogenannte Leftmover, war sogar noch deutlich stärker und erreichte gegen 19:40 Hauneck sowie die Stadt Bad Hersfeld. Hier sorgten Gewitterfallböen für größere Schäden und vor allem knapp östlich unter weiterer Verstärkung im Raum Sorga/Kathus auch für abgedeckte Dächer und Hagelansammlungen. Neuenstein war ebenso erneut betroffen.
Herausgehoben sei an dieser Stelle die Wetterstation des DWD in Bad Hersfeld nahe dem Amazon-Gelände (FRA 3), hier konnte eine Böe mit 95 km/h gemessen werden! Dazu fielen in kurzer Zeit knapp 15mm Regen. Von dort aus zog sie auf einer Nord-nordöstlichen Zugbahn weiter über Wildeck erneut bis Ringgau und ließ erneut deutliche Schäden zurück.
Eine zerstörte Scheune dort spricht Bände!

Der Tag bewies zwei Sachen ziemlich deutlich: Nicht immer braucht es vorweg bei sämtlichen Gewitterparametern den „Anschlag“, auch mäßig hohe Energiewerte mit guter Scherung und noch dem ein oder anderen Bonuspunkt reicht lokal für ein astreines Unwetter aus. Stichwort lokal, und da wären wir bei Punkt zwei: Deutlich wird, dass selbst bei Wetterlagen – wo mancherorts meteorologisch gesehen alles stimmt – nur lokal und eng begrenzt „die Welt untergeht“, dafür dort aber umso heftiger. Nicht wenige gab es, die gestern nicht mal einen Blitz gesehen haben, geschweige denn es überhaupt richtig geregnet hat.

Wir hoffen, wir konnten euch damit etwas aufklären. Falls ihr selbst noch Bilder oder Videos von gestern habt, gerne damit in die Kommentare.

Eure Wetterfrösche von Osthessen-Wetter.de

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